Serge Borel 1933-1988
Am Sonntag, den 7. August, als die 400 Konferenzteilnehmer eben mit dem Mittagessen beginnen wollten, sank Serge Borel an seinem Tisch zusammen und konnte trotz sofortiger Bemühungen von Aerzten und Schwestern nicht wiederbelebt werden. Auch die Ambulanz von Montreux und der Helikopter von Lausanne kamen umsonst.
Diejenigen, die damals im Speisesaal anwesend waren, erinnern sich der ganz besonderen Stimmung, die während der ärtzlichen Bemühungen im Saal herrschte: Gebete und ergriffene Stille umgaben Serge, als er uns verliess.
Es folgen jetzt längere Auszüge aus dem Text, den Daniel Mottu bei der Abdankung in der Kirche von Montreux verlesen hat.
FUER SERGE
Für einige unter uns - und das galt für Serge - bedeutet die Verantwortung für dieses Zentrum und für die internationalen Tagungen die Bereitschaft, sich um tausend Einzelheiten zu kümmern, welche diese Konferenzen erst möglich machen.
Mitten aus dieser Aufgabe ist Serge von Gott abberufen worden. Seit diesem Sonntag habe ich mich gefragt, was Gott uns durch den Tod von Serge sagen will. Ich glaube, er ruft uns etwas Wesentliches in Erinnrerung, nämlich das Sprichwort "der Mensch denkt, und Gott lenkt" und dies auf Seine Art. 0der moderner ausgedrückt, das "Unerwartete von Gott" muss unser Denken und Handeln bestimmen.
Der Tod von Serge entspricht dieser Art, denn unser Freund, so einfallsreich, so schöpferisch, so grosszügig auch, suchte ständig nach dem Unerwarteten in Gott, als ob er gefühlsmässig gewusst hätte, dass Gott allein vollbringen kann, was den Menschen unmöglich ist.
So wie viele Schweizer hatte Serge einmal den Weg nach Caux eingeschlagen und dort eine neue Orientierung für sein Leben gefunden. Allrmählich spürte er den Ruf Gottes, seine Berufung, Ihm zu dienen durch dieses Zentrun und durch die Moralische Aufrüstung und damit zur Ausstrahlung dieser Arbeit in die Welt beizutragen. So etwas geschieht nicht ohne innere Kämpfe. Aber Gott hat in ihm und durch ihn etwas Solides aufgebaut,dessenWert wir erst heute erkennen können.
Ich hatte das Vorrecht, während der letzten zehn Jahre sehr eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Serge, mit seinem Sinn für Architektur, besass weitgehende Befugnisse, von denen wir in Caux auf wunderbare Weise Nutzen zogen. Er kannte dieses Haus wie kaum ein anderer und hat vielen Aenderungen und Verbesserungen seinen Stempel aufgedrückt.
Ich habe auch miterlebt, wie er sich in schwierige Fragen, in denen er zu Beginn nicht kompetent war, hineingelebt hat. Vor ein paar Jahren musste die Stellung der ständigen Mitarbeiter der MRA gegenüber der AHV und der Krankenversicherung genau abgeklärt werden. Es war für die betroffenen Institutionen nicht leicht, unsern Sonderfall zu begreifen, und gewisse bereits getroffene Entscheidungen schienen uns ungerecht. Serge hat sich dieser komplizierten Angelegenheit mit bemerkenswerter Autorität angnommen und sich dabei die Achtung des Advokaten gewonnen, der unsere Sache vor den zuständigen Gerichten zu vertreten hatte. Dreimal mussten wir Rekurs erheben, und dreimal bekamen wir recht, indem die Verwaltungen aufgefordert wurden, bessere Arbeit zu leisten und Lösungen vorzuschlagen, die unserem besonderen Status Rechnung tragen sollten.
Serge war kein Mann öffentlicher Reden, und selbst im kleinen Kreis zog er es vor zu schweigen, wenn er nichts Wesentliches zu sagen hatte. Wenn er sich aber äusserte, verhalf er uns oft, zur fehlenden Erleuchtung. Diese Verhaltenheit wurde kompensiert durch eine bedeutsame Fähigkeit zum Zuhören, und noch heute morgen erinnerte mich jemand daran, wie oft Besucher aus fernen Ländern, die zwischen den Konferenzen in Caux auftauchten, dankbar waren, in Serge einen Menschen zu finden, der bereit. war, mit offenem Herzen ihre Sorgen und Nöte anzuhören.
Serge verstand es auch, sich in seinen Briefen trefflich auszudrücken. Viele von uns haben bestimnt einmal einen seiner wundervollen Briefe bekommen, geschrieben mit ausladender Handschrift, in denen man oft auf einen originellen Satz oder eine tiefere Note stiess, die seinen Charakter enthüllten. Serge's Wesen hat bestimmt über die Grenzen der Schweiz hinausgestrahlt. Er hat etwas von sich hinterlassen in Ländern wie Kanada, und eine Persönlichkeit aus Laos erinnerte heute Regula daran, dass sie den ersten Jahrestag ihrer Hochzeit am Ufer des Mekong feierten, ein paar Montate bevor das Land seine Freiheit verlor.
Schliesslich muss aber auch der Ausstrahlung dieser ganzen Familie gedacht werden mit Regula, Jean-Denis und. Sylviane,zu denen auch Marie-Claude und Rösli gehören. Dank für alles was wir von euch bekommen haben. Wenn mir auch die Worte fehlen, um alles auszudrücken, was wir euch sagen möchten, so sollt ihr doch wissen, dass eure Freunde mit euch sind und das nicht. nur in eurer schweren Prüfung, sondern auch auf dem Weg, den ihr zusammen in den kommenden Jahren gehen werdet, mit Gott, unserem Vater, als Führer.
Einige unserer Leser haben vieireicht den Brief schon erha|ten, den ich an zahlreiche Freunde versandt habe. Trotzden möchten wir den Text hier aufnehmen, wissen wir doch, dass viele unter euch in den letzten Wochen an uns gedacht haben.
Serge war ein wunderbarer Ehemann, Vater, Bruder und Freund, der uns sehr fehlen wird.Wenn er auch menschlich gesehen zu früh von uns gehen musste, wissen wir doch, dass sein Leben voll und reich gewesen ist. Es war vor allem deshalb so reich an menschlichen Kontakten weil Serge für jeden Menschen, dem er begegnete, eine echte Liebe und ein aufrichtiges und tiefes Interesse hatte.
Gott hat ihn zu sich gerufen, und es geschah auf ganz unerwartete Weise, umringt von hunderten von Freunden aus der ganzen Welt, die zu den Konferenzen in Caux gekommen waren. Durch ihre Gebete und ihre Anwesenheit konnten sie ihn in eine Welt begleiten, die Serge in einem Brief an einen Freund vor wenigen Monaten folgendermassen beschrieben hatte:"Jenes Jenseits, das ja phantastisch sein muss!...wo es auch ewig die schöne Jahreszeit ist - so stelle ich es mir vor." Gott hat Serges Leben wie auch seinen Tod gebrauchen wollen, um uns daran zu erinnern, dass uns ein völlig in Seinen Dienst gestelltes Leben bereichert und uns mit, Freude und innerem Frieden erfüllt.
Die Familienferien Ende Juli auf einem wunderschönen Bauernhof im Neuenburger Jura - Ferien, wie sie sich Serge schon lange gewünscht hatte - werden unvergesslich bleiben. Jean-Denis, der jetzt zehn ist, hatte noch nie so viel Zeit mit seinem Vater verbracht wie in diesen letzten Monaten, "dank" meiner Krankheit. Sicher wird auch dies eine kostbare Erinnerung sein. Die fünfjährige Sylviane erinnert sich speziell an die Geschichten, die Serge, der immer voller Phantasie steckte von Zeit zu Zeit speziell für sie ausdachte, entweder um sie zu trösten oder ganz einfach um ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.
Eine grosse Anzahl Freunde aus vielen Ländern umringten uns am Tag der Beerdigung, zuerst in der Kirche in Montreux und danach im Friedhof in Glion und ich weiss, dass viele andere auch gerne dort gewesen wären. All die Gedanken und Gebete haben mich an diesem Tag des Schmerzes getröstet und gestärkt. Er wird mir als Tag in Erinnerung bleiben, an dem Gott spürbar anwesend war und mir Seinen Frieden schenkte.
So bin ich für Seine und lhre Unterstützung zutiefst dankbar.
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