Charles Piguet 1930 - 2012
Charles Piguet hat uns Ende Juli im Alter von 82 Jahren im Glauben an die Auferstehung verlassen. Sein Leben als „Fulltimer“ der moralischen Aufrüstung (MRA) begann nach Bestehen seiner Matura im Jahr 1948. Er hatte einen inneren, eindeutigen Aufruf erhalten, Gott zu vertrauen, um seinen Beitrag zur Erneuerung der Gesellschaft zu leisten. Von dem Plan, Medizin zu studieren verabschiedete er sich.
In Caux beschloss er, sich der Kohorte der jungen Schweizer anzuschliessen, die nach der schrecklichen Prüfung des Krieges darauf brannten, eine bessere Welt aufzubauen. Als kontaktfreudiger Mensch erwartete Charles von seinen Gesprächspartnern, dass sie einen entscheidenden Schritt in ihrem Leben in Richtung eindeutiger moralischer Kriterien taten. Ob in Afrika, im Kongo oder in Eritrea, in Italien oder Belgien und nicht zu vergessen in der Schweiz, deren drei Sprachen er mit Präzision beherrschte, seine Botschaft blieb immer dieselbe: Schreitet vorwärts, die Welt erwartet von euch, dass ihr beim Aufbauen mitwirkt.
In Eritrea, einem durch Spannungen zwischen den Volkstämmen zerrissenem und von Italien kolonisiertem Land, das von der sogenannten „internationalen Gemeinschaft“ vergessen worden war, nahm Charles an einer Kampagne zur Versöhnung teil, durch die er mit jungen Freiheitsaktivisten in Kontakt kam, unter ihnen Ahmed Surur und Osman Shum, die im Laufe der Jahre treue Begleiter von Charles wurden. In den 70ger Jahren lud er sie nach Italien ein, um die Botschaft der MRA dorthin zu tragen. Gemeinsam trafen sie sich mit Industriellen, Gewerkschaftern und hohen Beamten, die am Kampf gegen den Terrorismus beteiligt waren. Die zwei Freunde aus Eritrea fanden bei Charles und seiner Familie eine dauerhafte Freundschaft, die noch bis heute andauert.
In Belgien nahm Charles am „runden Tisch“ der Chefs des Kongos teil. Belgien bereitete in Schnelle die Unabhängigkeit des Kongos vor, welche sich dann als misslungen erwies, obwohl sich mehrere der kongolesischen Patrioten für ein versöhntes Land eingesetzt hatten, so z.B. François Lwakabanga, der ein Jahr später zum Gouverneur der Provinz Kasai gewählt wurde. Charles hatte ihm beigebracht seine Tage mit einer heilsamen Meditation zu beginnen. Davon wurde in Sendungen des nationalen Radios gesprochen, welche während fast zwei Jahren ausgestrahlt wurden und die Charles auf die Bitte des Nachrichtenministeriums lanciert hatte.
In der Schweiz war Charles für den Caux Verlag verantwortlich. Als engagierter Schriftsteller sind seine Werke Zeugen eines tiefgreifenden und vielfältigen Denkens. Die Liste seiner Bücher ist diesbezüglich eloquent: Apprentissage de la faiblesse 2010, Guerres sans violences 2006, Une randonnée en solitaire 2002, Liberté pour le Zaïre 1991, Ce monde que Dieu nous confie (avec Michel Sentis) 1979. Seine Bücher zielten immer auf diejenigen Leser ab, die auf der Suche nach einer besseren Welt waren. Auch muss hier die wichtige Unterstützung von Seiten seiner Ehefrau Jacqueline beim Verfassen der vielfältigen Werke erwähnt werden. Ihre Botschaft bleibt bestehen.
Ein Pastor sagt uns: „Besteht die Charakteristik von Charles Leben nicht darin, dass er es verstand, sich für die Menschen zu interessieren?” Eine Krankenschwester der Institution, in der er seine letzten Tage verbrachte, unterstreicht: „Wir werden Herrn Piguet niemals vergessen.” Aus dem letzten Gespräch mit Freunden Jacqueline Piguet, Vevey Auf die Frage: «Was bleibt wenn man weggeht?» antwortete Charles: «Die Wegstücke, die man mit jemand zurückgelegt hat.»
Würdigung bei der Abdankung vom 2. August in Vevey Ahmed Surur, Genf: 1969 begegnete ich Charles zum ersten Mal, als er zur internationalen Konferenz der Moralischen Aufrüstung nach Asmara, der Hauptstadt Eritreas kam.Die Tatsache, dass Charles geläufig italienisch sprach erleichterte den Kontakt mit der Bevölkerung, der diese Sprache nach der Kolonisation durch Italien immer noch geläufig war. Wir kamen schnell in persönlichen Kontakt. Eine der Aufgaben von Charles war das Übersetzen der Reden vom Englischen ins Italienische und umgekehrt.
Während der Konferenz gab es auch private Begegnungen. Eine davon hatte mein Vater in unserem Haus organisiert. Sie brachte einen grossen Politiker, Omar Gadi, der für das Recht auf Selbstbestimmung Eritreas kämpfte, das von Äthiopien annektiert worden war, und Rajmohan Gandhi, einem Enkel des Mahatma Gandhi zusammen. Omar Gadi sprach während mehr als zwei Stunden italienisch und Charles übersetzte ins Englische. Der Politiker sprach über die Ungerechtigkeit, die Eritrea unter der äthiopischen Herrschaft erleiden musste. Rajmohan Gandhi hörte zu ohne je in das Gespräch einzugreifen. Am Ende der Begegnung erhob er sich, schüttelte Herrn Gadi die Hand und sagte: „Ich danke Ihnen“. Charles betonte immer wieder, dass diese Begegnung eine Lektion des Anhörens der Leiden des anderen gewesen sei, der einfach das Bedürfnis hatte angehört zu werden. Ein paar Tage später war Rajmohan bei Haile Selassie in Addis Abeba und bei ihrem Gespräch kamen sie auch auf die Frage der Versöhnung zu sprechen.
Charles schrieb mir 1972, um mich in die Schweiz einzuladen und eine Ausbildung in Moralischer Aufrüstung zu machen, indem ich ihn auf seinen Reisen zwischen Italien und der Schweiz begleite. Während zwei Jahren bereiste ich mit ihm Italien, manchmal auch in Begleitung von seiner Frau Jacqueline und dem Sohn Etienne, der gerade schulpflichtig wurde. Wir sind mit Industriellen, Studenten und Familien zusammengekommen. Im Vatikan hatten wir Kontakt mit Kardinälen.
Während dieser Zeit wohnte ich in Caux oder bei der Familie Piguet in Clarens wo ich wie ein Angehöriger aufgenommen wurde. Während diesen paar Jahren hatte ich viel gelernt. 1975 entschied ich mich meine Studien in Rom fortzusetzen. Nach ein paar Monaten musste ich meine Unterkunft verlassen und eine andere Bleibe suchen. Als ich Charles davon erzählte nahm er Kontakt mit seinen Bekannten auf und fand mir ein schönes Zimmer, wo ich drei Jahre bis zum Ende meiner Studien bleiben konnte.
Anschliessend kam ich in die Schweiz zurück um in Genf meine Studien zu vertiefen. Ich bemühte mich erfolglos um ein Stipendium. Als Charles es erfuhr, fragte er mich, wo ich angefragt hatte und schrieb selber an die Stiftungen um meine Anfragen zu unterstützen. Anschliessend wurde ich zu einem Gespräch aufgeboten. Als ich mich vorgestellt hatte, zeigte mir der Zuständige einen Brief und sagte dazu:“Das ist das Ausschlaggebende“. Es war der Brief von Charles. So erhielt ich dank ihm ein Stipendium für zwei Jahre. Charles war für mich ein grosser Bruder, ein Vater, der immer für mich da war. Es bedeutete viel für mich, ihn zur Seite zu haben, besonders zu Beginn meiner Zeit in Europa. Diese Freundschaft hat bis in seine letzten Tage mit ihm und Jacqueline gedauert.
Auszug aus einer Botschaft von Osman Shum, einem Freund aus Eritrea : Osman erinnert sich besonders an ein Ereignis in Asmara im Juni 1974. Charles war bei Osman und seinem Vater in ihrem Haus zum Nachtessen eingeladen. Aber der Vater wurde an diesem Nachmittag Opfer eines Mordanschlags. In Eritrea waren zu dieser Zeit grosse Wirren. Ein Bürgerkrieg war ausgebrochen und die äthiopische Armee machte sich daran den Kaiser zu stürzen. Die Trauerfeierlichkeiten für Osmans Vater fanden in dessen Geburtsstadt Keren statt, etwa 90 km von Asmara entfernt. Charles machte die gefährliche Reise dorthin um Osman zur Seite stehen zu können.
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